Ein Vortrag in deutscher Sprache von Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Borchmeyer
Kein Buch über Deutschland – mit Ausnahme der Germania des Tacitus – hat eine ähnlich nachhaltige Wirkung gezeitigt wie De l’Allemagne von Madame de Staël. Ihr Deutschlandbuch traf nach dem Ende der napoleonischen Ära auf eine begeisterte Reaktion in Frankreich. Doch nicht nur das französische Deutschlandbild wurde durch Madame de Staël geprägt, sondern das europäische überhaupt. So sehr sie dem von ihr durchreisten und erlebten Deutschland immer wieder emphatisch huldigt, so wenig verschweigt sie seine politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Defizite, besonders die Abgehobenheit des rein geistigen vom wirklichen Leben. Letztere habe jene poésie de l’âme begünstigt, die das unverwechselbare Charakteristikum der deutschen Dichtung sei. In ihrem Kapitel De l’esprit de conversation hat sie eines der faszinierendsten Porträts dieser für die französische Kultur grundlegenden Diskursform gezeichnet und ihr Fehlen in Deutschland dargestellt. Dieses vergleichende Kulturporträt gehört zu den wichtigsten Beschreibungen der Differenz zwischen französischem und deutschem Kommunikationsverhalten. Trotz aller Kritik bildet Deutschland – wie die Germania bei Tacitus – für Madame de Staël das schöpferische Gegenbild eines in der Ära Napoleons steril gewordenen Frankreich, an dem dieses sich ein Beispiel nehmen soll, um einen schöpferischen Weg in die Zukunft einzuschlagen.
Dieter Borchmeyer, mehrfach Gastprofessor der Universität Paul-Valéry Montpellier 3 und deren Ehrendoktor, hat 2017 ein umfassendes Buch über die Frage Was ist deutsch? Die Suche einer Nation nach sich selbst im Rowohlt Verlag publiziert, das auch ein ausführliches Kapitel über Madame de Staëls Deutschlandbuch enthält.
In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst.
Heure :
19:00 h
Adresse :
Salle Pétrarque
2 place Pétrarque
34000 Montpellier